21. Juni 03, Korfu
Cybercafe Korfu: Thomas und George, der Betreiber des Cybercafes, versuchen, unser neu errungenes GPRS auf Handy und Laptop einzurichten. Linda, die australische Lebensgefährtin von George, sitzt an der Theke vor ihrem Computer und lädt sich die neusten Witze über George Bush herunter. Und ich warte, immer noch mit gewissem Stolz, dass wir in den Besitz so eines GPRS-Handys überhaupt gekommen sind. Denn dazu bedarf es einer Steuernummer. Ohne diese „Taxnumber“ hast du hier keine Chance, einen Vertrag abzuschließen, du existierst eigentlich gar nicht. Und ohne Vertrag auch kein GPRS-Handy, um die eMails vom Boot aus erhalten und senden zu können.
So war ich gestern also alleine unterwegs durch die griechische Behörde, um diese existenzberechtigende Nummer zu ergattern, während Thomas mal wieder zusammen mit dem Mechaniker im Motorraum herumkroch.
Es war ein Ereignis für sich. Als erstes: Moped-Verleih. Ich wollte eine kleine Maschine, weil die Strassen in Korfu ziemlich eng sind und der Verkehr jenseits von Gut und Böse. So bekam ich einen roten Flitzer (Vollautomatik, idiotensicher) und passend dazu einen roten Helm (sogar in Griechenland gibt’s inzwischen Helmpflicht – bei der Hitze setzt ihn nur kein Schwein auf – ich auch nicht). Das Gerät zog los, dass es eine Freude war, beim Beschleunigen klappte ständig der Rückspiegel herunter.
Erstes Ziel: Cybercafe – in der Hoffnung, dass die hilfsbereite Australierin Linda Zeit hätte, mit mir auf die Behörde zu gehen. War leider nicht so, sie war gerade allein im Cafe und hatte später noch einen Job. Sie schrieb mir aber das Wichtigste auf und erklärte den Weg zum Gebäude. Frohgemut fuhr ich durch das dichte Gedränge und Gehupe der Innenstadt und parkte mein Moped vor der Bezirksverwaltung.
Drinnen: Was an Wegweisern angebracht war (fast nichts) konnte ich sowieso nicht lesen, alles um mich herum verstand ich nicht - also ging ich dahin, wo die meisten hinstrebten. Der Gang im ersten Stock sah  - entgegen dem pompösen Äußeren des Gebäudes - eher wie die Abstellkammer eines Krankenhauses aus. An der Wand entlang standen unzählige Leute und warteten mehr oder weniger geduldig - nur wusste ich leider nicht, auf was sie denn warteten. Also wieder kehrt, die andere Richtung. Da gab's tatsächlich so etwas wie "Schalter" auf einer Bank. Sah sehr hoffnungsvoll aus, ich steuerte eine junge Dame hinter der Glasscheibe an die aussah, als verstünde sie Englisch. „Taxnumber – Room 3“ erfuhr ich. Ok, angeblich der Korridor gegenüber. Genau das Zimmer, vor dem die meisten Leute standen. Es war 9.30 Uhr. Nach einer Viertelstunde Warten, in der sich gar nichts tat, machte ein Grieche ziemlich heftig etwas Dampf, riss die Türe von Zimmer 3 auf, schlug sie wieder zu, verschwand um die Ecke (auch da hörte man ihn noch seinem Unmut Luft machen) und kam wieder zurück. Kurz darauf trippelte eine junge Angestellte hüftschwingend, gelangweilt, die Wasserflasche schwenkend in den Raum und siehe da, nach weiteren 5 Minuten ging die Türe auf. Alles, was an Menschen im Gang bisher still an der Wand gelehnt hatte, drängte sich wie Kinder im Schulbus an der Tür. Auch ich ergatterte ein Formular (bzw. eine freundliche Engländerin, die mitbekommen hatte, was ich wollte, ergatterte es für mich mit), bevor sich die Türe ruck zuck wieder schloss. Super! Alles griechisch! Nun, also wieder quer durch die Innenstadt, zurück zum Cybercafe. Linda war glücklicherweise noch da. So gut wir konnten füllten wir diesen Zettel aus und ab ging's wieder in den griechisch-chaotischen Straßenverkehr. Ich kann inzwischen wirklich schon wie  Einheimische überholen und hupen.
Wieder auf der Steuerbehörde (es war inzwischen 10.45 Uhr) das gleiche Spielchen: Im Türrahmen eine Traube von Menschen, dicht gedrängt, und jedes Mal, wenn sich der Türknauf bewegte, gab's einen allgemeinen Schub nach vorne. Ich wartete also mit. Um mich herum fröhlichstes Geplapper, kommunikatives Beine vertreten, heftige Diskussionen und freundliches Geplänkel. Ein Grieche kam mit seinem Zettel nicht so ganz zurecht, ein dichter Kreis bildete sich um ihn: Eine Frau schrieb für ihn, die anderen gaben freundlich Hilfestellung was, wie, wo.....  
12.30 Uhr – das Amt schloss um 13.00 Uhr. Ich überlegte, ob ich noch weiter warten oder am nächsten Morgen wieder kommen sollte. Auf die halbe Stunde kam's aber nun wohl auch nicht mehr an, ich blieb also - inzwischen allerdings etwas verunsichert, denn die meisten Leute um mich herum hatten eine Kopie des Personalausweises zusammen mit dem Steuerzettel in der Hand. Doch jede anständige Behörde würde wohl einen Kopierer im Raum haben, um im Falle eines Falles einen Abzug zu machen. Kurz vor 13 Uhr probten die Wartenden vergeblich einen Aufstand: Man wollte alle, die bis 13 Uhr nicht an die Reihe gekommen waren (ca. 20 Leute) wegschicken – sie sollten am nächsten Tag wiederkommen.
12.58 Uhr - ich war im Zimmer!!! Die junge Angestellte blickte auf meinen ausgefüllten Fragebogen, verlangte eine „Identicy“ und schaute auf meinen Personalausweis, als sei dies ein chinesischer Fahrplan. Nach Rücksprache mit ihren Kollegen hin ließ sie ihn freundlicherweise gelten - doch sie bräuchte - eine KOPIE! Auf meine Frage nach dem nächsten Kopiergerät: Ein Stück die Strasse hinunter auf der gegenüberliegenden Seite. „Don’t wait when you come back“. Na, klang doch verheißungsvoll. Im Copyshop quer gegenüber bekam ich also, was ich noch brauchte und marschierte schnurstracks – es war natürlich schon 13 Uhr vorbei – wieder ins Zimmer. „The name of your Grandmother?“ Himmel hilf, was hat die denn mit meiner Taxnumber zu tun? Nach kurzer Diskussion gab sie sich mit dem Namen meiner Mutter (der sowieso gemeint war) zufrieden. Ich füllte den Bogen nochmals aus, kritzelte mit Hilfe eines anderen Antragstellers die griechischen Hyroglyphen wie eine Anfängerin auf das Papier und setzte mich dann gespannt auf den einzigen Stuhl im Zimmer um der Dinge zu harren, die da kommen sollten. Was konnte mehr passieren, als dass ich diese Steuernummer, ohne die man in Griechenland scheint’s kein vollwertiger Mensch ist, an diesem Tag eben nicht mehr bekam? Dann würde es eben noch einen Vormittag mit Schlangestehen geben... Die Angestellte tippte und tippte, ich hoffte auf ein Wunder. Und siehe da: Als ich von meinen meditativen Überlegungen hochblickte winkte mir die junge Dame freudestrahlend mit einem Zettel in der Hand zu und meinte: „This it was“. Whow, ich war geplättet. Es übertraf meine kühnsten Erwartungen.
Stolz wie nach einem gewonnenen Marathon – nur nicht so erschöpft – spazierte ich als vollwertiger Mitbewohner Griechenlands die Treppe des wichtigsten Hauses der Stadt hinunter (die Putzkolonne stand schon schwer bewaffnet in der Eingangstuer, der Hausmeister mit dem Schlüssel ungeduldig daneben).
Auf ins griechische Verkehrschaos, ach, ist das Leben schön – vor allem, wenn man jetzt endlich seine eigene Nummer kennt!
Der Handy-Vertrag ist wieder eine andere Sache – den haben wir heute abgeschlossen.  Auch darüber könnte man noch 2 Seiten schreiben, doch ich hoffe, dass Thomas und George allmählich mit GPRS-Handy und Laptop auf den Punkt kommen und vor dem Morgengrauen die Sache endlich funktioniert. Immerhin arbeiten sie nun schon seit 4 Stunden daran….
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