Diesen
Hafen behalte ich wahrscheinlich nur noch als "nervig" in
Erinnerung: Gleich am Pier rasten in aggressiver Fahrweise knatternde
Mopeds und hupende Autos vorbei, das Straßencafe gegenüber spielte
laute Bierzeltmusik, rechts und links drückten italienische
Motorbootfahrer und Dilettantensegler in Lücken, die halb so groß
waren wie die Boote breit, es war trotz Wind drückend heiß und der
Hund spielte auch noch verrückt indem er meinte, die Mopeds fangen zu müssen. |
Das
nette an dem Hafen: Wir trafen das "Fine-Boot" wieder. Fine
ist ein italienischer Mischlingshund, der sich auch Yachtbesitzer als
Herrchen und Frauchen auserkoren hat und zurzeit mit einem Gipsbein
herumhumpelt, weil er den Straßenverkehr unterschätzt hat. Diesem
"Fine-Boot" hatten wir beim Wassertanken in der Vathy-Bucht
(Lefkas) zu unserem tiefsten Bedauern den Anker herausgerissen (muss
allerdings zu unserer Entlastung dazugesagt werden, dass es ein
Alu-Anker mit nur 1 Meter Kettenvorlauf und Schwimmleine (!) war).
Trotzdem war uns das rasend peinlich. Es tat der Wiedersehensfreude
jedoch keinen Abbruch, und so saß man nach einem gemeinsamen
Hundespaziergang auf der Deckterrasse unserer Unity. Später kam auch
noch Knuth dazu - ein Norweger, dessen zentnerschwerer Trecking-Rucksack
auf unserer Deckterrasse deponiert war. |
Wir
hatten Knuth zum ersten Mal gesehen, als er auf einer Bank am Ufer saß
und – man glaubt es in dieser hektischen Gegend kaum – ein richtiges
Buch las (sonst trifft man hier nur Leute mit Stadtplänen und Reiseführern).
Später, während unseres Abendessens auf der Heckterrasse, stand er an
die Straßenlaterne vor unserem Boot gelehnt - tief in Gedanken
versunken friedlich vor sich hinblickend. Nachdem er eine halbe Stunde
wie bestellt und nicht abgeholt in die Landschaft gelächelt hatte bot
Thomas ihm einen Stuhl an. Nein, er warte auf nichts, meinte er, er sei
sich nur noch unschlüssig, in welche Richtung er gehen wolle und was er
machen möchte. Ach ja, es wäre nett von uns, wenn wir ein Auge auf
seinen Rucksack haben könnten, dann würde er sich gerne ein wenig
umsehen, auch fürs Nachtquartier usw. So kam also Knuths Gepäck auf
unsere Heckterrasse und später am Abend eben auch Knuth. Nein, ein
Quartier hätte er noch keines gefunden - ja, ein kühles Dosenbier wäre
nett. Zu fünft saßen wir plaudernd in einem Mischmasch aus Englisch
und Deutsch in dem kühler werdenden Abend, während die Hunde die
letzten Ecken des Schiffs inspizierten. Knuth saß meist nur da und träumte
vor sich hin und redete nur, wenn man ihn direkt etwas fragte. Er wolle
schreiben - über was, schwieg er sich aus. Er suche eine ruhige Gegend
in Griechenland, wo er ein halbes Jahr bleiben wolle und viel Ruhe habe.
Knuth bestand an sich schon aus einem fast beängstigenden Prozentsatz
von Ruhe. Man hätte fast meinen können, er wäre hundert Jahre zu spät
geboren und hätte das Zeitalter der Romantik vor lauter Ruhe glatt
verpasst. Er sah mit seinen 35 Jahren aus wie knapp über 20, den
blonden Kopf auf seinem schlaksigen Körper voll mit Idealismus, der
schon stark an Naivität grenzte und kindliche Unschuld verströmte. Da
wir diesen liebenswerten Träumer weit nach Mitternacht nicht einfach
auf die Straße schicken wollten boten wir ihm - trotz lautstarkem
Protest von Pia - die freie Matratze in der Heckkabine an. Thomas
schlief frierend auf dem Heck als "Wache". Wären wir am nächsten
Morgen nicht sehr bald weiter gefahren, würde Knuth immer noch auf
unserer Deckterrasse sitzen und
träumen. So aber reichte Thomas dem „Wanderer ohne
Entscheidungsfreudigkeit“ Tasche und Riesenrucksack die Gangway
hinunter, Pia wedelte erleichtert mit dem Schwanz (nachdem sie ihn am
Morgen nochmals ziemlich angepfiffen hatte) und jeder zog seiner
Wege. |