Kalamata  6. Januar 2004
Die Weihnachtszeit ist auch hier das Fest der  Geschäfte. In dem 300 Meter entfernten Kinderland- Kaufhaus herrschte in den letzten Wochen Hochbetrieb. Mami und Papi stürmten mit ihren heißgeliebten verwöhnten kleinen Ungeheuern den Laden, um noch irgendetwas Kreischendes Knarrendes für die Lieblinge zu ergattern. Wahrscheinlich ist das hier einfach so: Je lauter, desto besser. Und der Nachwuchs lernt das sehr früh. Schon in Papi’s Auto scheppern und dröhnen die Lautsprecher bis kurz vorm Platzen. Und keine Musik der Welt tönt so schön wie das Aufheulen des gepeinigten Motors kurz nach dem Anlassen. Ich überlege schon, ob das kaum steigerungsfähige Geknatter der Mopeds nicht auch ein Sicherheitsfaktor ist, wenn Papi, Mami, Sohn und Töchterchen dicht zusammengepresst damit im griechischen Straßenchaos unterwegs sind, sozusagen ein akustisches Frühwarnsystem. Doch das alleine reicht bei weitem nicht aus: Ohne Hupe wäre das Ganze so undenkbar wie ein Grieche ohne schwarze Sonnenbrille. Ich werde mir bei nächster Gelegenheit eine Tröte am Gürtel befestigen, nur so als kleine Geste des guten Willens.
Epiphaniasfest, 6. Januar. Unsere Eindrücke von diesem Erlebniss sind ziemlich einseitig, da wir die griechische Sprache noch immer nicht können und somit hier nur das berichtet wird, was wir wahrgenommen haben. 
Wir spazierten von der Marina zum Stadthafen und begaben uns mitten ins Gedränge. In der naheliegenden Kirche war der Festgottesdienst in vollem Gang. Thomas hatte ich in der Menschenmenge schon nach wenigen Minuten aus den Augen verloren und so wanderte ich interessiert in Richtung krachende Lautsprecher und Liturgischer Klänge. Während in der Kirche der Sänger zur Hochleistung auflief sammelten sich rund um das Gebäude die einzelnen Gruppen und Vereine für die anschließende Prozession. Die 4 Ministranten in ihren glitzernden Umhängen langweilten sich und überbrückten die Wartezeit, indem sie mit den etwas mitgenommen aussehenden Kreuzen abwechseln Fechten übten oder sie als Kreisel erprobten. Direkt vor dem Kirchenausgang postiert fingerte eine Gruppe des Militärs gelangweilt an ihren Gewehren herum, stand zwischendurch kurz stramm um dann wieder in eine Art Wachschlaf zu verfallen. Handys klingelten, Kinder schrieen, spielten Fangen oder nervten die Eltern, die örtliche Blaskapelle hatte sich auch schon formiert und machte zwischendurch dezente Einblasversuche. Doch das alles wurde sowieso durch die Lautsprecher der Kirche übertönt. So nach und nach stürmten Popen mit wehenden Kutten und weihnachtlichem Strahlen im Gesicht auf die Kirche zu, um ebenfalls an dem Festumzug teil zu nehmen. Und kaum war der letzte Ton des Liturgen verklungen, der letzte blecherne Glockenschlag verhallt, schmetterte mit feierlicher Hingabe die Blaskapelle ihren ersten Marsch. Der nun beginnende Festzug bestand aus den Ministranten mit ihren etwas verbogenen Kreuzen, gleich dahinter das Militär und die Blaskapelle, den Schluss bildeten die Geistlichkeit. Irgendwo mitten im Zug trugen vier Männer noch ein großes Heiligenbild.
Der Menschenauflauf im Hafen war inzwischen kaum überschaubar, alles drängte sich möglichst weit nach vorne ans Wasser um das nachfolgende Ritual sehen zu können: Die Segnung von Schiffen und der dazugehörigen Besatzung. Festlich geschmückt warteten viele große und kleine Boote geduldig im Hafenbecken. Die Geistlichkeit begab sich auf eine schwimmende Plattform und legte ab. In der nächsten halben Stunde sahen wir wenig -  dazu hatten wir das griechische „nach vorne drängen“ nicht genug geübt. Aber wir hörten etwas – und das ganz gewaltig. Der zelebrierende Sänger musste das Mikrofon förmlich in seine Kehle gesteckt haben, überschlug sich ab und zu (zumindest die Stimme), hechelte, triumphierte, jubilierte… In Gedanken stellte ich mir derweil vor, die Plattform würde langsam nach unten sinken, sämtliche Geistlichkeit bekäme zuerst nasse Füße und schwämme schließlich samt Weihwasserkessel im Stadthafen von Kalamata, die schwarzen Kutten wallend um sie herum. Wie gesagt, wir sahen nicht viel, nur eine Unmenge von Köpfen vor uns. Gegen Ende des Großereignisses kamen plötzlich durchtrainierte männliche Jugendliche ans Ufer geschwommen, und wurden von den Umstehenden gleich Helden begrüßt. Und bevor die geistliche Plattform wieder am Ufer festgemacht hatte löste sich Ruck Zuck die Menschenmenge auf, die Kapelle stimmte pflichtschuldigst noch einmal einen Marsch an, das Militär wartete geduldig auf die Popen und ansonsten strebte alles den naheliegenden Cafeterias zu. Wir ließen uns das Geschehen erklären: Es wurde ein Holzkreuz ins Wasser geworfen und die jungen griechischen Helden stürzten sich ins Hafenbecken um es wieder herauszuholen (so weit haben wir Pia noch nicht). Nachdem feststand, welcher Schwimmer die Trophäe ergattert hatte war die Spannung für die Menschenmenge gewichen und man strebte nahrhaften Dingen zu.

Und auch wir gingen wieder zurück zur Unity und freuten uns auf unsere Spaghetti.

  Erlebnisberichte 2004

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